Im Nordwesten, fernab von den politischen und wirtschaftlichen Metropolen an der Ostküste, dem pazifischen Ozean, wo die Entscheidungen für das gesamte Land getroffen werden, liegt in China das Autonome Gebiet der Uiguren, Xinjiang.
Als Schüler habe ich mir für lange Entfernungen eine „Eselsbrücke“ gebaut. Königsberg, das heutige Kaliningrad, liegt 1.000 Kilometer von Köln entfernt. Urumqi, die Hauptstadt, des Autonomen Gebietes der Uiguren, liegt über zweimal Köln-Königsberg von Beijing (Peking) entfernt, Shanghai und Hongkong über dreimal. Xinjiang ist über viermal so groß wie die Bundesrepublik und auf Provinzebene flächenmäßig das größte, mit 17% der Gesamtfläche Chinas, Einzelgebiet. Einige meinen sogar, Xinjiang würde ein sechstel der Fläche der Volksrepublik China ausmachen. Im Norden die Wüste Gurbantunggut und im Süden die Taklamakan-Wüste, die zweitgrößte Sandwüste der Erde und sie bedeckt ein Siebtel des Gebietes von Xinjiang. Zwischen den beiden Wüsten erstreckt sich das Tian-Shan-Hochgebirge vom Osten Xinjiangs nach Kasachstan und Kirgistan über eine Länge von 2.500 Kilometer mit einer Höhe von über 7.500 Metern.
Uiguren, 1978 waren es noch 5,5 Millionen, bilden mit 12,7, so die Volkszählung von 2018, die Mehrheit der Bevölkerung gefolgt von den seit 1949 eingewanderten Han-Chinesen mit 9 Millionen. Insgesamt leben über 25 Millionen Menschen in Xinjiang, Hui, Kasachen, Kirgisen, Mongolen, Usbeken, Yi und andere Minderheiten eingeschlossen. In den meisten Städten nördlich des Tian Shan bilden die Chinesen mit über 70% die Bevölkerungsmehrheit. Von 2010 bis 2018 lag das Bevölkerungswachstum in Xinjiang bei 18% dem höchsten in China.
2019 erreichte das BIP des Autonomen Gebietes 1,36 Billionen Yuan (17 Milliarden €), mehr als das Doppelte der 661 Milliarden Yuan (86 Milliarden €) von 2011. Schleswig-Holstein hatte 2019 mit weniger als 3 Millionen Einwohnern ein BIP von 99 Milliarden €.
Bodenschätze hat das Autonome Gebiet. 40% der Kohlevorkommen von China zur Erzeugung von CO2 liegen nicht in sondern unter Xinjiang. Ein Drittel der Erdgas- und Erdölvorkommen vielerorts von Sand bedeckt ebenfalls.
500 km ist eine Straße lang, die vom Norden nach Süden durch den See des Todes, so wird die Taklamakan auch genannt, mitten durch die Wüste führt. Zweispurig ist sie aber durch die Schutzbepflanzung vor dem Sand 75 Meter breit. Seit 20 Jahren gibt es an dieser Straße mitten in der Wüste einen botanischen Garten, ein Forschungseinrichtung. Pflanzen werden dort entwickelt, die sowohl mit sandigen und auch salzhaltigen Boden leben können. Aktuell wird eine Autobahn von Altay, nördlich gelegen von der Gurbantunggut, mitten durch die Wüste und mehrspurig, nach Urumqi gebaut.
Nur nebenbei bemerkt, über 50% der Energie die in Xinjiang verbraucht wird, ist aus erneuerbarer Energie. Windkraft und Solarenergie wird in dem Autonomen Gebiet ausgebaut.
5,16 Millionen Tonnen Baumwolle wurden 2020 zu fast 80% maschinell in Xinjiang geerntet, 2 Millionen Tonnen mehr als in der gesamten USA. Xinjiang, das Autonome Gebiet ist nach Indien der weltweit größte Baumwollproduzent der Welt. 20% Prozent der weltweiten Baumwollproduktion kommen aus Xinjiang. Ertragreich und hochwertig ist der Baumwollanbau in Xinjiang. 800 kg werden weltweit pro Hektar im Durchschnitt auf Baumwollfeldern erzeugt. In Xinjiang liegt der Ertrag durch die besonderen klimatischen Bedingungen bei 2 Tonnen pro Hektar, über zweimal so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Bei der Berechnung des weltweiten Durchschnittes ist Xinjiang mit eingerechnet worden. Fast 600.000 Menschen festangestellt arbeiten in der Baumwoll- und Textilproduktion. Ob in Indien oder in den USA die Baumwolle per Hand oder maschinell geerntet wird, weiß ich nicht.
Nicht nur die Baumwollproduktion, sondern auch die Weiterverarbeitung in den Textilbetrieben bieten den Uiguren und den anderen Minderheiten, aber auch den Han-Chinesen in Xinjiang einen Lebensunterhalt.
Seit 2014 betreibt VW ein computerunterstütztes Montagewerk bei Urumqi. Hunderte von Arbeitsplätzen hat VW geschaffen um jährlich bis zu 30.000 Fahrzeuge zu produzieren. Ein Endmontagewerk! VW ist dazu verpflichtet worden. Alle Teile zur Endmontage, bei Urumqi gibt es keine Zulieferbetriebe, werden über tausende Kilometer von der Ostküste Chinas angeliefert, was die Produktionskosten erheblich erhöhen dürfte. Ertragsreiche Firmen, das gehört zu chinesischer Wirtschaftspolitik dazu, werden immer wieder verpflichtet, Produktionsstätten in ärmeren Gebieten zu errichten. Xinjiang gehört zu den ärmeren Gebieten in China. Das VW-Werk ist ein Endmontagewerk. Die über von tausenden Kilometern angelieferten Einzelteile werden in Urumqi nur zusammengeschraubt. 2024 wurde das Werk von VW verkauft.
Auch GAC- Motor (Guangzhou Automobile Cooperation) ist verdonnert worden bei Urumqi ein Endmontagewerk zu errichten. GAC produziert Klein- und Mittelklassewagen und ist beheimatet in der südöstlichen Provinz Guangdong nördlich gelegen von Hongkong. Die Stückzahl der verkauften Fahrzeuge von GAC entspricht den Verkaufszahlen, die BMW in China erreicht.
Zwei Endmontagewerke in Urumqi könnten Zulieferbetriebe bewegen vor Ort, in Urumqi, eigene Werke zu errichten und die Wirtschaftsleistung dieses Gebietes zu verbessern. In Aksu, südlich gelegen von Urumqi, steht ein Reifenwerk kurz vor der Zertifizierung
Rohstoffe hat das Autome Gebiet wie Polysilicon.
Polysilicon ist der Rohstoff zur Produktion von Solarzellen und durch seine Leitfähigkeit unverzichtbar für die Elektronik und Mikroelektronik. 45% dieses Stoffes der weltweiten Produktion wird in Xinjiang hergestellt.
Überwiegend ländlich strukturiert ist Xinjiang. Rinder-, Schaf- und Yakzucht werden von kleinen bäuerliche Betrieben gezüchtet und natürlich, wie in der Umgebung von Wüsten üblich, Kamele. Einige der Kleinbauern im Südwesten von Xinjiang, militärisch ausgebildet, übernehmen durch Patrouillengänge die Grenzsicherung zu den Anrainerstaaten, dafür bezahlt vom Zentralstaat. Die meisten Patrouillengänger gehören zu Minderheiten. Welcher Chinese würde sich freiwillig auf die Höhe von über 7.000 Meter ohne Sauerstoffmaske begeben. Reinhold Messner ist kein Chinese.
Weizen, Mais, Hirse und auch Weintrauben werden angebaut und zu Rosinen getrocknet, die Weintrauben. Die Hami-Melonen sollen nicht nur in China beliebt sein.
Über 40% der weltweiten Tomatenproduktion kommt aus China. Die Plantagen dafür liegen in Xinjiang. In der chinesische Küche spielen Tomaten eine untergeordnete Rolle. Chinesen nennen die Tomate „die westliche rote Frucht“. Weiterverarbeitet werden die Tomaten zu Ketchup und Tomatenmark. Auf den Packungen von Ketchup und Tomatenmark steht „Produce in…“ danach der Name eines Landes. Das Rohmaterial, die Tomaten, kommen überwiegeng aus China, genauer aus dem Autonomen Gebiet der Uiguren, Xinjiang.
Schätze hat das Autonome Gebiet der Uiguren, Xinjiang. Unter dem Boden Kohle, Gas, Öl und natürlich seltene Erden, oberhalb Baumwolle, Tomaten, Hami-Melonen, Weintrauben, getrocknet auch als Rosinen bekannt, natürlich auch Wind- und Solarkraftwerke und die erzeugte Energie wird in 20 chinesische Provinzen exportiert. Aber der wahre Schatz, seit Tausenden von Jahren ist er vorhanden, aber wird erst seit wenigen Jahren wieder wahrgenommen, ist der Boden von Xinjiang. Im Nordwesten von China liegt er, angrenzend an zentralasiatische Staaten, wie Kasachstan, Tadschikistan und Kirgistan.
2020 sind 12.400 Güterzüge mit 100 Standardkontainern (TEU) gen Westen gefahren, über 30 Züge pro Tag, nicht alle durch Xinjiang, auch über Erenhot, der inneren Mongolei. 2021 sollen es 15.000 Güterzüge werden. In den ersten 8 Monaten 2021 sind allein durch Xinjiang 8.000 Güterzüge gen Westen gerollt, also ein Güterzug pro Stunde. Vor 2-3 Jahren lag die Auslastung der Züge vom Westen nach China bei 46%, heute liegt sie bei 95%. Die Auslastung von China gen Westen liegt bei 100%. Wöchentlich fahren 100 Güterzüge aus China nach Duisburg. Urumqi, die Hauptstadt des Autonomen Gebietes Xinjiang trägt bereits den Beinamen „Tor nach Europa“.
Im Dezember 2020 ist ein erster Güterzug von Ankara durch Azerbaidschan über das Kaspische Meer und danach durch Kasachstan nach China gefahren. Anfang 2021 ist ein Zug u.a. mit medizinischen Hilfsgütern nach Kiew in die Ukraine gefahren. Dieser Zug hat das Kaspische Meer gemieden.
Vom Osten, aus China kommend, führt die Eisenbahnlinie nördlich des Tian-Shan Gebirges über Hami, Turpan und durch das Tor nach Europa an die kasachische Grenze nach Khorgos und danach in die kasachische Steppe, über 10.000 Kilometer nach Europa. In 14 Tagen wird die Fracht nach Europa transportiert. Auf dem Wasserweg mit einem Frachter dauert der Transport 30 bis 40 Tage. Der Lufttransport kostet das Fünffache.
Aus dem kasachischen Steppenboden wird seit Jahren, direkt an der chinesischen Grenze liegend, eine Stadt aus dem Boden gestampft: Nurkent.
Straßen mit Bürgersteigen, Kindergärten, Schulen, mehrere medizinische Zentren und eine Poliklinik sind bereits fertiggestellt. Nurkent soll für über 100.000 Einwohner eine Heimat werden, in einem Gebiet, wo die Temperaturen im Winter minus 40 Grad betragen und im Sommer bis zu 40 Grad plus. Ein Logistik-Center entsteht in Nurkent. Aufgebaut und betrieben wird der „Landhafen“ durch die China Ocean Shipping Company (cosco) mit Unterstützung der DP World of Dubai aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das kasachische Nurgent und das chinesische Khorgos sollen eine gemeinsame Freihandelszone bilden.
Parallel wird von Cosco mit der Betreibergesellschaft des Duisburger Hafen, der „Duisport“ auf der anderen Seite der ehemaligen Sowjetunion bei Minsk im Rahmen des Projektes „great stone“ ein Logistik-Center errichtet.
Von Turpan, nördlich gelegen vom Tian-Shan-Gebirge, teilweise liegt Turpan 150 Meter unter dem Meeresspiegel, schlängelt sich die Eisenbahn durch das Gebirge um die Taklamakan-Wüste herum nach Kashgar. Der Hauptbahnhof der Stadt Göttingen/Deutschland liegt 147 ü.N.N. Wer durch das Autonome Gebiet der Uiguren, Xinjiang, gereist ist und Kashgar, auch Kaxgar oder Kashi geschrieben, nicht besucht hat, war nicht in Xinjiang. Kashgar war eine Perle der „Alten Seidenstraße“. China hat begonnen die Perle zu putzen.
Von Kaxgar entsteht ein Eisenbahnkorridor nach Kirgistan-Usbekistan. Diese Bahnstrecke bietet dann eine Anschlussmöglichkeit durch die zentralasiaten Staaten in die Türkei und auf dem Westbalkan. Bis zum Torugart-Pass, an der Grenze zu Kirgistan, ist die Anbindung bereits fertiggestellt.
Von Kashi, die Perle soll wieder erleuchten, führen Verkehrsverbindungen nach Süden direkt in den China-Pakistan Economic Corridor (cpec). China hat sich verpflichtet 62 Milliarden US-Dollar allein in Pakistan zu investieren. 24 Milliarden sollen bereits verbaut worden sein. 8 Kraftwerke sollen in Pakistan entstehen. Im Südwesten 3 Kohlekraftwerke für die CO2-Versorgung, in Zentralpakistan und im Norden ein Solar- und 4 Wasserkraftwerke. Drei Verkehrstränge sollen von Kashgar durch Pakistan an den indischen Ozean nach Karachi und Gwadar führen, frisch errichtet worden ist der Hafen Gwadar. China hat somit einen Landweg an den indischen Ozean.
Nur nebenbei bemerkt, niemand wird es interessieren, ist im September 2021 eine Eisenbahnstrecke von Islamabad/Pakistan über Tehran/Iran an den Bosporus nach Istanbul/Türkei eröffnet wurden.
Vom Gwadar, Meeresspiegelhöhe, soll eine Ölpipeline über den Khunjerab-Pass, 4.700 m über dem Meeresspiegel, nach Kashgar gebaut werden. Der höchste Berg Europas, der Mont Blanc, hat eine Höhe von 4.810 m. Im Umfeld des Hafens von Gwadar investieren einige arabische Staaten 20 Milliarden US-Dollar u.a. in Ölraffinerien. Von Hotan, Xinjiang, südlich gelegen der Taklamakan wird eine Eisenbahnanbindung teilweise durch die Wüste nach China gebaut, die die Fahrstrecke um 1.000 Kilometer verkürzt.
Das Institute of Geographic Sciences and Natural Resources Research der Chinese Academy of Sciences hat vorgeschlagen, Kashgar zu einer regierungsunmittelbaren Stadt zu erklären. Kashi, die wirkliche Haupstadt der Uiguren, eine Stadt mit über 300.000 Einwohnern soll gleichgestellt werden mit den Millionenmetropolen wie Chongqing, Tianjin, Beijing und Shanghai, um eine wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen wie sie Hainan hatte. Die Insel, eine der damals ärmsten Gebiete, wurde 1988 aus der Provinz Guangdong ausgegliedert und zu einer eigenen Provinz erklärt. Chongqing wurde 1997 zu einer regierungsunmittelbaren Stadt erhoben und wächst seitdem zu einer der mächtigsten Metropolen in China und der Welt.
Perlen wie Kashgar müssen geputzt werden, um sie zum Strahlen zu bringen.
04.01.2025